Katalogtext „Die Neue Düsseldorfer Malerschule“ Haus Lange 2003
von Kunsthistoriker Dr. Martin Hentschel


Die Malerei Stefanie von Schroeters ist gegenstandslos, und sie entwickelt sich prozessual. Die Künstlerin arbeitet ohne Vorzeichnung, ohne vorberietende Skizzen. Zu Beginn der Arbeitet wählt sie eine Reihe von Farben aus, die womöglich einen bestimmten Klang ergeben. Daraufhin entsteht das Bild Stück für Stück, die Gesten des Pinsels folgen der Intuiton und der Anschauung, das heißt, jede Farbsetzung wird immer wieder dem prüfenden Auge unterzogen, bis sich etwas einstellt, das man ein Ganzes nennen könnte. Und weil von Schroeter zumeist mit offenen, teilweise auch rückseitig bemalten Leinwänden arbeitet, unterliegt dieses Verfahren einem hohen Risiko. Pentimenti kommen nur selten vor; dem entspricht, daß die Künstlerin von vornherein ein gewisses Maß an Zufall akzeptiert: Eine Farbspur, die der Intuition entsprang, noch ehe die Anschauung sie einholte, wird eingebettet in das weitere Vorgehen. Im Zuge der Arbeit verdichtet sich das Bild mehr und mehr, es entsteht ein Geflecht, das gleichzeitig die Fläche wie Raumtiefe des Bildes durchmißt. Man wird angesichts dieser Malerei kaum von einem abstrakten Vokabular sprechen können; dazu sind die Bildfindungen zu offen, flexibel in jeder Richtung. Dennoch begegnen wir immer wieder jener länglichen Vertikalform, die wie eine Metapher gelesen werden kann: Bild eines Pinselstrichs.
Es ist diese Einfachheit, die besticht. Der Pinselstrich kann als Konturlinie auftreten oder als lockere Geste, er kann von Hunderten jüngerer Geschwister umgeben sein, die sich zu einem Netzwerk zusammenziehen mögen oder aber zu einer opaken Fläche. Welche Metamorphosen er durchlaufen wird, welche Gebilde aus ihm auch erwachsen: Noch in den komplexesten Bildformen ist jene Einfachheit bewahrt, die sich jener ersten Geste verdankt.Und das gilt mutatis mutandis auch für den Klang der Farben. Ihnen eignet nichts Wilkürliches, wir werden kein schreiendes Rot und kein leidenschaftliches Gelb in diesen Bildern finden, auch wenn die Künstlerin auf den Kontrast zwischen kalt glänzender Lackfarbe und warm bröseligem Ölstift insistiert. Die Nachbarschaft der Farben ergibt sich aus demselben sicheren Gespür für das Ganze wie der Komplex der Formen. Innerhalb des Oevres gibt es Arbeiten, die von  Schroeter  „biographisch“ nennt; man kann sie anhand der gesteigerten Emotionalität, an der im Verhältnis zu anderen Bildern eruptiven Gestik erkennen ( z. B. Abschied der Schwestern ). Doch „biographisch“ bedeutet nicht, daß wir  uns mit einem Mal gegenständlichen Motiven gegenübersähen. Was die Künstlerin emotional bewegt, wird allein durch Farbe und Form in das Geviert des Bildes gebannt. Von daher geht es nicht um essentielle, sondern um  graduelle Unterschiede ,um eine Erweiterung im Spektrum der Abstraktion.